Mantel weg…

Impuls zum 30. Sonntag im Jahreskreis

Die Erzählung über die Heilung des blinden Bartimäus gehört zu den Bibelstellen, die mich mit am meisten beeindruckt. Dabei ist es weniger die eigentliche Heilung, sondern der Weg dorthin. Und es geht auch nicht nur um Heilung, sondern auch um Verantwortung, Entscheidung und Nachfolge.

Bartimäus ist blind und das macht ihn zu einem armen Bettler. Er ist abhängig von der Gesellschaft und zugleich wird er von ihr ausgeschlossen.

Es ist fast schon dramatisch, was sich abspielt als Jesus in sein Leben tritt. Bartimäus richtet seine ganze Hoffnung auf Jesus. Er tut alles, um Jesus zu begegnen und dafür macht er ganz schön Radau! Diesmal lässt er sich nicht mundtot machen. Er ruft, er schreit regelrecht nach diesem Jesus. Seine Sehnsucht, seine Hoffnung sind in ihrer ganzen Kraft spürbar. Und er setzt sich durch. Jesus ruft ihn zu sich.

Wie in Zeitlupe wird die Bewegung auf Jesus hin geschildert: Er wirft seinen Mantel weg, Symbol für das alte Leben, geprägt von Scham und Ausgrenzung. Er springt auf und läuft auf Jesus zu – für Blinde nicht ungefährlich. Vielleicht gibt ihm die Ermutigung der Menschen, die ihn gerade noch mundtot machen wollten, weitere Sicherheit.

Was jetzt folgt, irritiert allerdings. Denn Jesus fragt: „Was willst du, dass ich dir tue?“ Wozu denn diese Frage? Siehst du denn das nicht, Jesus? Was macht Jesus da? Er spielt den Ball an Bartimäus zurück. Jesus fordert ihn auf, Verantwortung für sein Leben zu übernehmen. Er muss selbst sagen, was er will und braucht, um ein geheiltes und erfülltes Leben führen zu können. „Ich möchte wieder sehen können.“ – Und es geschieht!

Dieser Bartimäus wird mir zum Vorbild, mit dem umzugehen, was bei mir im Argen liegt, was mich mit Scham erfüllt, was mich ausgegrenzt und mich von Begegnung und Beziehung mit anderen Menschen abhält und hindert. Ein Vorbild, das ich zugleich als An-Frage an mich selbst verstehe. Denn auch ich muss mich der Frage Jesu stellen: „Was willst du, dass ich dir tue?“ Auch von mir erwartet Jesus, dass ich mündig bin oder mich mündig mache.

Und da wird es spannend – aber auch heilsam: Nehme ich wahr, dass und wo ich selbst heilsbedürftig bin? Gestehe ich mir das ein? Bin ich bereit, auf Jesus zuzugehen, ihn zu rufen? Kann ich meinen Mantel, der meine Scham bedeckt, wegwerfen und – gleichsam unkaschiert – diesem Jesus sagen: „Ich möchte wieder…, ja, was möchte ich eigentlich?“ Mit anderen Worten: Auch ich muss Verantwortung für mich übernehmen! Bei Bartimäus war das der wichtigste Schritt zu Heilung, die ihn darüber hinaus zur Nachfolge Jesu befreite.

– Also, Mantel weg?

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