Gedanken zum Weihnachtsfest 2022
Austreten? – Eintreten?
Viele sind es,
die aus der Kirche austreten in diesen Tagen.
Die Kirche
erscheint ihnen
den Einsatz, das Geld
nicht mehr wert.
Teils war sie ihnen
vielleicht nie so wichtig; teils aber ertragen sie
uns auch einfach nicht mehr, den tiefen Graben
zwischen unserem salbungsvollen Reden
und unserem verstörenden Handeln.
Gott ist ja seinerzeit nicht ausgetreten …
Nicht,
dass ihn der Widerspruch
nicht auch
immer wieder
auf die Palme gebracht hätte,
der Widerspruch jener,
die ihn zwar mit den Lippen ehren, mit dem Herzen aber
ganz woanders sind.
Dreihundertsechzigtausend traten aus im vorigen Jahr.
Aktuell spielt
jeder vierte
mit dem Gedanken auszutreten,
behaupten
pünktlich zum Fest
die Umfragen.
Motto offenbar: Weihnachten gut und schön, aber was brauch ich dazu die Kirche?
Gott freilich tritt nicht aus,
Gott tritt ein …
Ne ne, nicht bei uns, nicht in die Kirche, das wäre
doch echt jetzt viel zu einfach.
Zuerst einmal tritt
Gott ein
in die weltweite Gemeinschaft der Wohnungslosen.
Seine Geburt in der Ungeborgenheit
des Stalles:
Herzlich willkommen
im Kreis derer, die niemand gebrauchen kann. Dreihundertdreißigtausend davon soll es
allein in Deutschland geben.
Gleichzeitig damit tritt Gott ein in die Welt der Kinder dieser Erde,
besonders derer ohne Dach überm Kopf. Weltweit,
sagt die Unesco derzeit: Einhundertmillionen.
Kaum eingetreten
in die Welt
gehören
Jesus und die Seinen
auch zur großen Familie derer auf der Flucht.
Zweiunddreißigkommafünf- millionen
schätzt die Unesco 2022.
Für Kinder ohne Kindheit nennen sie eine Zahl,
die frieren lässt: Siebenhundertdreißig-millionen.
Nein,
Gott tritt nicht aus.
Auch heute noch,
wo so viele austreten, tritt Gott nicht aus.
Gott tritt ein, gesellt sich zu denen im Dunkeln,
in Angst,
in Obdachlosigkeit,
in kindheitsloser Kindheit.
Durch seine stille Gegenwart lässt er sein Licht
leuchten im Dunkel,
wohl hoffend,
dass auch andere
sich bereitfinden einzutreten in den Dienst des Lichtes, für die Welt,
für das Leben der Kinder,
für die Erhellung
der Welten des Dunkels
und der Angst.
Ich glaube,
er würde sich freuen, würden auch wir wieder eintreten:
In seine Liebe,
in seine Nachfolge …
Wir,
die Kirche,
die Prälaten,
die Kirchenrechtler,
die von der Glaubenskongregation, die in den Bischofskonferenzen
und natürlich auch wir,
die gewöhnlichen,
die Alltagschristinnen und -christen,
Du und ich.
Statt auszutreten,
statt zu sagen, ohne mich,
zu sagen:
Ja, ich will!
Ja, ich bin weiter dabei,
jetzt erst recht!
Ich kann diesen Jesus
doch nicht allein lassen
mit den siebenhundertdreißig-millionen kindheitslosen Kindern.
Schon gar nicht jetzt:
An Weihnachten!
Frohes Fest!
Ihr Thomas Quadt