Gedanken zum 5. Sonntag im Jahreskreis 2025

Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. (Lk 5,1-11)

Wenn wir heute lesen, dass die Fischer am See Genezareth die ganze Nacht gearbeitet, aber nichts gefangen haben, ist die spontane Reaktion möglicherweise: „Selber schuld!“ Das sind doch Fachleute, erfahrene Fischer, die den See in- und auswendig kennen müssen. Wie kann das passieren, dass die so gründlich versagen? Haben die den Wetterbericht nicht studiert? Das Radar falsch gelesen? Die Strömung nicht berücksichtigt? Mit solchen Leuten, die solche Fehler machen, muss man kein Mitleid haben, die sind Versager, sie sind selbst verantwortlich für ihr Versagen.

Wir haben uns angewöhnt, den Menschen für sein Schicksal grundsätzlich selbst verantwortlich zu machen. Alles, was uns geschieht oder was unser Leben ausmacht, haben wir selbst in der Hand. Schwierigkeiten am Arbeitsplatz? Dann streng‘ dich mehr an! Probleme mit den Kolleginnen oder Kollegen? Dann wehr‘ dich! Unzufrieden mit dem eigenen Aussehen? Da kannst du doch etwas machen lassen! Verwickelt in einen Unfall oder einen Schaden? Wer hat den Unfall verursacht und wessen Versicherung muss zahlen? Alles müssen wir selbst regeln und tragen für alles selbst die Verantwortung. Auch unsere Gesundheit müssen wir selbst im Griff haben. Wer krank wird, vor allem wer an einer unheilbaren Krankheit leidet, hat sich angeblich falsch ernährt, zu wenig Sport getrieben oder sonst etwas falsch gemacht – so heißt es heute oft. Sogar über Leben und Tod wollen oder sollen wir heute selbst entscheiden.

Wie anders ergeht es den Fischern am See Genezareth. Jesus kommt, gibt einen entscheidenden Tipp und auf einmal werden sie so erfolgreich, dass sie es kaum fassen können. Die Netze drohen zu reißen, so viele Fische fangen sie. Simon gibt die Verantwortung ab, lässt sich von Jesus anleiten. Der Rat, den Jesus gibt, widerspricht zwar der Erfahrung des geübten Fischers, aber Simon geht darauf ein. Der Vorschlag Jesu verändert das Ergebnis der Fischer radikal. Simon legt den Erfolg seiner Arbeit in die Hand Gottes und hat großen Erfolg damit.

Die Geschichte von Simon, der auf sich gestellt keinen, mit Jesus an seiner Seite aber großen Erfolg hat, stellt auch für uns heute die Frage, woher Erfolg und Misserfolg überhaupt kommen. Können oder müssen wir wirklich alles in unserem Leben selbst verantworten? Landen wir, wenn wir nur auf uns selbst gestellt sind, bei Simon, der die ganze Nacht gefischt, aber nichts gefangen hat? Auf der anderen Seite ist es ja nicht nur der Tipp Jesu, der den großen Fang verursacht hat. Die Arbeit musste Simon machen. Wer ist dann wirklich für den großen Erfolg verantwortlich?

Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, in Ihrem Leben zurückschauen, fallen Ihnen sicher besondere Erfolge ein: bestandene Prüfungen, besondere Reisen, die Geburt der Kinder, die erste große Liebe, Abenteuer und teils hart errungene Siege. Wenn Sie auf diese Erfolge schauen, lohnt es sich einmal zu prüfen, wie hoch wirklich Ihr eigener Anteil daran ist und wie viele Anteile an dem Erfolg Ihnen geschenkt wurden: die Begabungen und Talente, die Ihnen von Ihren Eltern vererbt wurden, die Fähigkeiten und Techniken, die Ihnen von Ihren Lehrerinnen und Lehrern vermittelt wurden, die Mitarbeit und Unterstützung von Freundinnen, Freunden, Kolleginnen und Kollegen. Ferner lässt sich nicht erklären, wo die guten Ideen, die sogenannten „Geistesblitze“, die Sie hatten, herkommen. Ihr Leben wäre ganz anders verlaufen, wenn Sie andere Eltern, andere Lehrerinnen und Lehrer, andere Mitmenschen und andere „Geistesblitze“ gehabt hätten. Wie hoch ist also der eigene Anteil an unserem Erfolg? Sind wir wirklich für alles in unserem Leben ganz allein verantwortlich?

Der Autor dieser Zeilen ist fest davon überzeugt, dass er, wenn er ganz allein auf die eigene Verantwortung setzen müsste, ausschließlich der erfolglose Simon wäre. Er ist aber ebenso überzeugt, dass es nichts bringt, die Hände in den Schoß zu legen und allein darauf zu hoffen, dass der liebe Gott schon alles richten möge. Jeder Mensch ist für das eigene Handeln selbst verantwortlich. Wir Christinnen und Christen dürfen und können unser Leben als Geschenk Gottes deuten und uns der Unterstützung durch den Heiligen Geist sicher sein. Offensichtlich muss zu jeder Zeit und in jedem Leben das Verhältnis zwischen Eigenverantwortung und Gottvertrauen neu ausgehandelt werden.

So, wie Jesus den Simon zum Menschenfischer macht, hat er auch für jede und jeden von uns einen Auftrag. Er weiß, was wir können, wenn wir auf uns selbst gestellt sind. Den Rest gibt er uns dazu.

Mit Blick auf das übervolle Netz des Simon wünsche ich Ihnen und allen, die Ihnen am Herzen liegen, einen gesegneten Sonntag und einen guten Start in die neue Woche.

Ihr Winfried Rottenecker, Diakon

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