Gedanken zum fünften Fastensonntag
Das ist ein langes Evangelium heute, aber es lohnt sich!
Über 45 Verse erzählt uns der Evangelist Johannes eine Totenerweckungsgeschichte: Ein Freund von Jesus namens Lazarus ist gestorben und wird von seinen Angehörigen Marta und Maria betrauert. Jesus kommt ein paar Tage später zu Besuch und vollbringt mal wieder ein Wunder. Lazarus steigt aus seinem Grab.
Dieser Text wurde natürlich – wie eigentlich alle Texte des Neuen Testamentes – nach Ostern geschrieben. Dem Autor ist die Leidensgeschichte Jesu in Jerusalem bekannt und er weiß auch um das glückliche Ende: die Auferstehung. Das kann man gut im Hinterkopf behalten, wenn man die lange Geschichte von Lazarus im Gottesdienst hört oder in der Bibel liest.
Manche Wunder werden in den Evangelien relativ schlicht erzählt. Es gibt eine Situationsbeschreibung, einen kurzen Dialog und dann ein feines Wunder. That ́s it.
Johannes 11, 1-45 hingegen hat viel mehr zu bieten als ich hier schildern kann. Mir ist aber aufgefallen, wie viele verschiedene Charakterzüge Jesu uns präsentiert werden.
Da ist der abgebrühte Jesus, der mit Absicht viel zu spät kommt, damit er ein Wunder wirken kann. (Die 15 Stadien, die Jesus von Lazarus entfernt ist, sind übrigens nur ca. 3 Kilometer.)
Da ist der rätselhafte Jesus, der schwer verständliche Sätze sagt. Vielleicht hat es die Jünger auch genervt, dass er schon wieder in Bildern sprach?
Es gibt aber auch den menschlichen Jesus, der weint. Es kann sein, dass Jesus hier nur über den Unglauben der Juden weint, die nicht von der Auferstehung überzeugt sind. Sympathischer ist mir aber die Deutung, dass Jesus vom Tod seines geliebten Freundes so erschüttert ist, dass ihn die Tränen überwältigen.
Der lehrende Jesus ist auch dabei. In den fast identischen Gesprächen mit Maria und Marta geht es um den Glauben, dass Jesus selbst die Auferstehung und das Leben ist. Jesus scheint diese Dialoge zu brauchen, bevor er Lazarus zurück ins Leben holt.
Und da ist der mächtige Jesus, der Gottes Größe durch Wunder verdeutlichen kann. Dieser kurze Satz markiert den Höhepunkt von Jesu Handeln in dieser Geschichte: Lazarus, komm heraus!
Für mich ist das Highlight dieses Textes der Vorausblick auf Ostern. Jesus sagt von sich selbst, dass er die Auferstehung und das Leben ist. Und das hat Auswirkungen auf mich und uns: Wer an mich glaubt wird leben, auch wenn er:sie stirbt. Und jede:r der:die lebt und an mich glaubt wird auf ewig nicht sterben. (V.27) Das macht doch richtig Hoffnung!
Ich würde in dieser langatmigen Fastenzeit am liebsten jetzt schon Halleluja rufen, aber das verkneife ich mir noch. Auf Ostern freue ich mich trotzdem.
Lesen Sie diesen Text doch einmal mit der Osterbrille! Oder Sie haben Lazarus im Hinterkopf, wenn Sie in der Karwoche vom Leiden und Sterben Jesu hören.
Florian Bundesmann