Gedanken zum 14. Sonntag im Jahreskreis
Nach seiner Auferstehung und nach seiner Himmelfahrt ist der Sohn des Zimmermanns auch in seiner Kirche sehr vertraut geworden. Es ähnelt durchaus der Reaktion der Menschen seiner Vaterstadt. Am Sabbat in der Synagoge waren sie erstaunt über seine Worte und seine Taten. Doch sein Bekanntheitsgrad vor Ort entwertete den Inhalt. Wie kann ein Nachbarsjunge Wunderbares sagen und bewirken. Als Zimmermann ist er bekannt und angenommen. Das fügte sich gewohnt in ihren Alltag. Sie kannten ihn von Kindheit an. Mit Kindern aus der Gegend hatte er gespielt und lebte ein normales Leben. Es fiel sehr schwer, ihn anzunehmen und seinen Worten nachzugehen. Das ist für eine Kleinstadt und mit ihren Leuten sehr verständlich.
Auch heute wird die Kirche sich die Frage stellen müssen nach der Vertrautheit mit dem Jesus Christus. Die alten Wunder seiner Erdenzeit werden erzählt in schwindender Bedeutung. Die Kirche lässt den weiten Raum für Fragen und für Zweifel.
Die Ereignisse seiner Verkündigung durch den Erzengel Gabriel und seiner Geburt im Stall unter dem Stern zu Betlehem werden eher unsicher betrachtet und sind der Gegenwart vermehrt im Brauchtum angesiedelt. Ähnliches gilt für sein Leiden und sein Sterben. Mit christlicher Skepsis wird oft eine wohlwollende Distanz eingenommen. Im Blick auf seine Auferstehung und auf seine Himmelfahrt wird wohl gefeiert und das Frei an Feiertagen gerne angenommen. Der Glaube aber bleibt in vornehmer Zurückhaltung.
Er ist halt in den vielen Jahren zu vertraut geworden. Es gibt zu viele Bilder und Figuren. Kontakt mit ihm im Beten ist so einfach bis zur Oberflächlichkeit. Sein Wort hinein in die Weltrealität der Gegenwart ist schwer zu hören. Im Grunde hat er Recht. Das stimmt. Es klingt so schön und ist im Kern auch schon sehr abgegriffen. Die wirkliche Erfüllung seiner Botschaft durch die Kirche und ihre Menschen steht noch aus. Systeme lassen sich sehr ungern korrigieren und belehren. Aber von allen Dogmen und Geboten abgesehen, geschehen täglich Wunder, die ins Staunen bringen. An jedem Tag ist er, der Jesus Christus, liebevoll und heilend gegenwärtig. Er streitet nicht um Formulierungen und reitet auch nicht auf Prinzipien. Er nimmt ganz einfach jeden Menschen ernst in seiner Wahrheit und Gegebenheit. Die Einzelnen sind ihm vertrauter als sich selbst.
Doch sein Vertrautsein bleibt bewahrt vor abwertender Gewöhnung. Er sieht in jedem Menschen eine Gott gewollte Sensation und bietet sich und seine Botschaft leise und behutsam an. Er und sein Wort sind das ewige und gültige Argument für ein gelungenes Leben. Er hält es aus, wenn Späße über ihn kursieren. Das „O mein Gott“ wird tausendfach und ohne spirituelle Tiefe in die Welt gerufen. Im Mainstream ist er gegenwärtig nicht gefragt, vielleicht als Resterinnerung. Doch seine Liebe und sein Friede sind das Fundament des Lebens und der ganzen Schöpfung. Er hält die menschliche Kurzsichtigkeit und ihre Schwerfälligkeit geduldig aus und ist im Geist zur Stelle und an jeder Menschenseite.
Doch es ist eine gute menschliche Entscheidung, ihn ernst zu nehmen und seiner Liebe zu vertrauen. Das geht sehr leise und behutsam. Das geht in ganz persönlicher Befindlichkeit.
Es ist ein Großereignis, wenn Menschen irgendwo auf dieser Welt, sich auf den Bund mit ihm besinnen und ihn, den Bund, in sich lebendig werden lassen.
Jürgen Kuhn