Gedanken zum 10. Sonntag im Jahreskreis
Welche Begeisterung muss Jesu Wirken auf seine Mitmenschen ausgelöst haben, dass sie in
Massen zusammenströmen und er mit seinen Jüngern nicht einmal mehr Zeit finden, Nahrung
zu sich zu nehmen. Dieser Hype wird so groß, dass seine Angehörigen sich sorgen, er nehme
sich nicht genug Zeit für sich selbst und für seine Jünger. Sie wollen ihn deshalb zurückholen
in den Schoß der Familie. Aber als ihm gemeldet wird: „Deine Mutter und deine Brüder
stehen draußen und fragen nach dir“, da weist er sie schroff zurück mit der Frage: „Wer ist
meine Mutter und wer sind meine Brüder?“ Und er gibt gleich selbst die Antwort darauf:
„Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“
Das ist harter Tobak für seine Familie und selbst vor dem Hintergrund, wie viel Jesus selbst
seine Botschaft und sein Wirken bedeutet haben, nur schwer verständlich. Macht er doch mit
seiner Antwort deutlich, woran er sich selbst bindet und was er von denen erwartet, die zu
ihm gehören wollen. Er stellt seine Beziehung zu Gott über die zu seinen Angehörigen. Er
gibt seinen Zuhörerinnen und Zuhörern, seine Jüngern und uns mit auf den Weg: Nur die
Bindung an Gott schenkt neue Freiheit im Leben! Dies predigt Jesus nicht nur mit Worten,
sondern er lebt es vor, mit allen Konsequenzen, die wir kennen. Die Bindung an Gott wird für
Jesus zum Schlüssel einer neuen Freiheit. Er durchbricht überholte Prinzipien und
Konventionen, welche die Menschen am Leben hindern. Ein zu eng gewordenes Verständnis
von Geboten und Vorschriften, die sicherlich einen wichtigen Kern haben, bricht er auf. Er
setzt die ursprüngliche Bedeutung der Gebote frei, welche dem Wohl des Menschen dient,
z.B. beim Sabbatgebot.
Ähnliches vollzieht Jesus in der Begegnung mit Menschen, auf die andere herabschauen und
die sie ausgrenzen, wie Witwen, Gescheiterte, Außenseiter und Kinder. Dafür ist er
gekommen, darum geht es ihm. Wer ihn davon abhalten will – selbst wenn dies aus
wohlgemeinten Gründen geschieht –der ist für ihn nicht mehr Bruder, Schwester oder Mutter.
Jesus lässt sich von seinem Weg, die Botschaft Gottes der Welt zu verkünden, auch nicht
abhalten von denen, die es „zu gut“ mit ihm meinen. Er bleibt sich und seinem Gott treu.
Darin vollzieht er seine Berufung. So erlangt er eine große Freiheit, die sehr einladend auch
auf viele gewirkt hat, die ihr Leben allein auf die Botschaft Gottes ausgerichtet haben.
Auch wenn die Mehrheit von uns nicht so radikal mit ihrem Umfeld brechen kann, wie Jesus
es getan hat, so können wir uns doch fragen, ob wir uns noch von Jesu Handeln und seiner
Botschaft begeistern lassen und bestärkt werden in unserem Glauben.
Fabian Lammers