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Von Wolken und Früchten

Gedanken zum 5. Sonntag der Osterzeit

Inzwischen sind wir alle recht gut vernetzt. Politik und Wirtschaft, Institutionen, Gläubige eher
regional und natürlich die einzelnen Menschen persönlich über Gruppen und in den Sozialen
Netzwerken. Ein Bild für die digitale Vernetzung ist die Cloud, eine Datenwolke. Doch oft gibt diese
Cloud die Daten als Geldregen an Unternehmen aus. Wenn das Produkt, das du nützt, dich nichts
kostet, bist du das Produkt, so die alte Logik dieser Datenwolken.

Der Weinstock jedenfalls, von dem wir an diesem Sonntag im Evangelium hören, hat anscheinend
ausgedient. Oder nicht? Der Weinstock ist konkret, beschreibt ein lebendiges Wesen. Er wächst,
vernetzt sich, liefert an seine Äste und empfängt von den Ästen und aus den Blättern Energie. Sein
Ziel ist es, Frucht zu tragen, Anderen zu dienen. Die Cloud dient auch mit ihren Programmen, aber
sie hortet die Daten für sich, generiert Wissen „nach Auftrag“ und Auftraggeber. „Bleibt in mir“ –
existentiell ist beim Bild des Weinstocks die Verbundenheit. Wichtig ist für alle, die Teil des
Weinstocks Christi sind, dass sie sich nicht als Einzelkämpfer verstehen. „Im Reich Gottes gibt es
keinen Self-made-man“, hat der Jesuit und Märtyrer Alfred Delp bei seinen Exerzitien notiert. So
gesehen erscheint der Weinstock als ein frommes Projekt: sich verbinden, Frucht tragen.

Und da wartet der nächste Irrtum, der entscheidende Unterschied zur Cloud. Ihn beschrieb ein
weiterer Jesuit, Peter Faber schon vor 400 Jahren sehr zutreffend: „Bisher hast du mehr Trost an der
Größe des aus der göttlichen Gnade erwachsenden Baumes gefunden als in seiner Wurzel, in der
doch all seine Kraft liegt. Du hast auf das Laubwerk geschaut, auf die Blätter, die Blüten und die
Früchte.“ Wir schauen immer auf die Früchte, wollen doch eher Leistung bringen. Laut Peter Faber
ein Irrtum, denn die Blätter und Früchte sind in ständiger Veränderung. Dauerhaft Kraft und Halt
gibt dagegen die Wurzel. „Nicht die Frucht wird dich zur Herrlichkeit dieses Baumes führen,
sondern die Wurzel.“ Aus der Wurzel kommt die Kraft, die Energie.

So ist die Bibelstelle aus dem Johannesevangelium hier kein Imperativ, Gott ja die Treue zu halten,
sich an die Gebote zu halten, Leistungen der Nächstenliebe und des Gebets zu erbringen. Es geht
nicht um den besten „Gute-Werke-Ertrag“, es wird kein bester Jahrgang prämiert. Sondern es ist eine
Einladung, aus der Wurzel zu leben, denn „diese Wurzel wird eines Tages in der Herrlichkeit
erstrahlen.“ Am Schluss, so die Pointe von Peter Fabers Text, „kehrt der Baum sich um: Die Wurzel
kam zuoberst zu liegen, sie lässt alle Früchte herunterhängen und flößt ihnen ihre Wurzelkraft von
oben nach unten ein.“ Am Schluss des Lebens kehrt der Baum sich um, entscheidend ist die Wurzel.

Wie sieht der eigene Baum aus, wenn ich ihn umdrehe? Wie sehen meine Wurzeln aus, woher nehme
ich die Kraft für mein Leben?

Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben, einen gesegneten Sonntag und einen guten Start in die
kommende Woche.

Fabian Lammers, Kaplan

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