Gedanken zum vierten Fastensonntag
Was mögen wohl die ersten Eindrücke des Geheilten gewesen sein, als er wieder sehen konnte? Vielleicht die verbissenen Gesichter der Pharisäer oder die ängstlichen Eltern, umringt von den ratlosen Nachbarn? Vielleicht war diese Heilung für ihn zunächst ein Schock, denn an seiner Heilung entzündet sich eine Auseinandersetzung. Der Mann wird von den Nachbarn befragt und zu den Pharisäern gebracht. Diese riefen, weil sie seine Geschichte nicht glauben konnten, die Eltern herbei. Auch diese haben keine Erklärung für die Heilung, gehen ängstlich auf Distanz und überlassen ihren Sohn erneut den Fragen der Pharisäer. Dieser wiederholt seine Aussagen und wird daraufhin von den Pharisäern beschimpft und hinaus gestoßen.
War diese Heilung für den Mann wohl Fluch oder Segen? Gerne würde man ihn zu seiner Situation befragen wollen.
Niemand glaubt ihm, niemand freut sich mit ihm, niemand hört ihm richtig zu, alle gehen auf Distanz, sogar die Eltern.
Der Geheilte kann wieder sehen, weiß aber noch nicht, wer ihn heilte. In seiner ersten Befragung durch die Nachbarn, sagte er: „Der Mann, der Jesus heißt.“ Bei der nächsten Befragung durch die Pharisäer ist er zu der Erkenntnis gelangt: „Er ist ein Prophet.“ Und nach all den Befragungen und dem Hin- und- Her- Gestoßen- Sein durch die Menschen trifft er noch einmal auf Jesus. Und hier bekennt er: „Ich glaube, Herr.“ Jetzt sieht er richtig.
Das Evangelium endet mit der Frage der Pharisäer: „Sind etwa auch wir blind?“ Während dieser gesamten Heilungsgeschichte wird deutlich, dass anscheinend alle, mit Ausnahme des Geheilten, sich als blind erweisen. Sie sind von einer Blindheit befallen, die tiefer geht und nicht ohne das eigene Zutun zu heilen ist. Und wir? Sind wir blind oder sehen wir? Diese Frage müssen auch wir uns immer wieder stellen. Jetzt in der Fastenzeit, aber auch natürlich darüber hinaus. Hier ist nicht die Sehkraft der Augen entscheidend, sondern wie Saint- Exupéry sagt, die des Herzens.
Und noch einmal zurück zur Anfangsfrage: Was ging dem Geheilten wohl durch den Kopf? Ich glaube, nach dem ersten Schock der Ablehnung durch die Menschen fand er in der Begegnung mit Jesus das Licht seines Lebens.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen offene Augen und Herzen.
Barbara Steeger