Gedanken zum dreizehnten Sonntag im Jahreskreis
Familie ist das Wichtigste …
… höre ich häufig. Vor allem von Menschen, die die Erfahrung eines weitestgehend friedlichen Zusammenlebens in der Familie machen konnten und können.
Ich ahne, das hinter der Aussage das Bedürfnis nach Liebe steckt.
Danach, lieben zu können und geliebt zu werden, sich geborgen und sicher zu fühlen.
Vielleicht geht es um Vertrautheit, um bekannte Strukturen, Abläufe und Menschen.
Vielleicht geht es um die Chance, als Familie gemeinsam Herausforderungen, Sorgen, Ängste und Verluste meistern zu können. Vielleicht geht es um das Gefühl, auch im Äußersten nicht allein zu sein. Vielleicht geht es um das Gefühl, füreinander immer das Bestmögliche geben zu wollen.
Das in der Familie zu erleben, stelle ich mir großartig vor.
Und doch weiß ich auch, dass es nur in den wenigsten Familien vorbildlich läuft und nicht wenige Menschen Familie sogar als das Gegenteil von Liebe erfahren. Sie stecken in einer Abhängigkeit fest und müssen harte Arbeit leisten, um sich daraus zu befreien. Sofern es ihnen denn überhaupt aus eigener Kraft gelingt, die Spiralen von Überforderung, Gewalt und/oder Armut zu durchbrechen.
Und vielleicht sind es diese beiden Dimensionen, die für Jesus mitschwingen, wenn er das Wort an seine Jüngerinnen richtet. Er sendet sie in die Welt, vom Reich Gottes zu erzählen. Vom Reich Gottes, das nach anderen Regeln spielt als die Gesellschaft, in der wir leben.
Als Christinnen dürfen wir darauf vertrauen, in Gott Liebe zu finden.
Eine Form von Liebe, die alle schon gelebte und noch zu lebende Liebe in sich aufnimmt und noch unendlich viel größer werden lässt. Die Liebe, die in der Familie erlebt werden kann, ist nur der Anfang von dem, was noch auf uns wartet. Sie ist ein Vorgeschmack des Himmelreichs.
Und gleichzeitig befreit uns der Glaube, befreit uns Gott aus den Abhängigkeiten, aus der Gewalt, aus den Fesseln des Lebens. Der Glaube ermächtigt uns, selbst Verantwortung zu übernehmen, für uns selbst und für andere Sorgen zu können. Und auch hier scheint mir die Befreiung in dieser Welt nur ein Vorgeschmack zu sein auf das, was wir hoffen dürfen.
Und so sind diese Perspektiven nicht fern, keine Ziele für ein „irgendwann mal“, sondern schon jetzt relevant, eine Art „Anleitung“ zum guten Leben.
Schon jetzt dürfen wir lieben und geliebt sein.
Schon jetzt dürfen wir befreien und befreit werden.
Schon jetzt erleben wir Himmelreich und gestalten es.
Und damit erlauben Sie mir, die Aussage „Familie ist das wichtigste“ zu relativieren:
Ich ahne, es geht um das füreinander Sorge tragen, um Geborgenheit, Sicherheit, Vertrautheit und Freiheit. Für einige ist das in der Familie erlebbar.
Ganz sicher aber ist es für uns alle, so hoffen wir, in Gott erlebbar.
Sophie Kölsch