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Lass wachsen!

Gedanken zum 11. Sonntag im Jahreskreis

Jesus muss wahrlich ein begnadeter Geschichtenerzähler gewesen sein. Auch in unserem
heutigen Evangelium versteht er es so unnachahmlich, die Botschaft vom Reich Gottes in eine
Sprache zu übersetzen, die den Menschen damals vertraut war.

Wenn Jesus vom Sämann und der Erfahrung des Wachsens erzählt, wissen seine Zeitgenossen
sehr genau, wovon er redet. In einem Land, das von Landwirtschaft und Ackerbau geprägt ist,
wie das antike Israel, erlebten nahezu alle Menschen das Wachsen und Gedeihen der Pflanzen
und Früchte, von denen sie sich ernährten, als tägliches Wunder. Die Biologie als
wissenschaftliche Disziplin, die biologisches Wachstum erklären könnte, war ja noch nicht
bekannt. Auch die Senfstaude war ein vertrautes Gartengewächs – sie wächst aus dem
Senfkorn und eben nicht zu einem großen Baum, wie sich das manche hierzulande vorstellen
(ich auch). Sie war damals mit einer Höhe von 2,5 bis 3 Metern die größte Pflanze im Garten.

Jesus berichtet also vom Reich Gottes, indem er es in den Kontext der Gartenarbeit setzt und
in die Erfahrung, die damals von allen gemacht wurde.

Dabei spricht Jesus zwei Dinge an, die den Menschen damals unerklärlich erschienen:
Einerseits, dass etwas wächst, ohne dass sie wissen, wie, und andererseits, dass etwas so
Kleines wie ein Senfkorn zu einer so großen Pflanze werden kann. Dies muss für die
damaligen Menschen sehr wunderlich gewesen sein. Sie mussten also auf das Wirken Gottes
vertrauen.

Dieses Wunder des Wachstums und das Vertrauen auf das Wirken Gottes lässt sich auch auf
uns heute übertragen, wenn wir dazu aufgerufen werden, am Reich Gottes mitzuwirken.
Nichts anderes stellen die Gleichnisse dar:

Wir könnten uns mit dem Gärtner identifizieren, der den Samen sät. Die Saat und das
Senfkorn versinnbildlichen unsere Handlungen als Menschen und als Christen, denn sie
wachsen und tragen auf die eine oder andere Weise Frucht.

Dieser Bibeltext kann für uns eine entlastende Botschaft haben. Wie oft machen wir uns
Sorgen, ob es morgen noch eine Kirche geben wird, ob wir noch eine religiöse Heimat haben
werden, ob wir noch christliche Gemeinschaft leben können. So macht sich jeder von uns
seine ganz persönlichen Sorgen. So mag auch unser Gärtner denken, der vielleicht auch Sorge
hat, ob aus seiner Saat etwas wächst, denn damals wusste er ja nicht wie. Aber er vertraut
ganz auf Gott. So können auch wir im Vertrauen auf Gott darauf hoffen, dass das, was wir
zum Wachsen des Reich Gottes beitragen, Früchte trägt.

Auch wenn Gott wachsen lässt, so müssen wir doch selbst säen. An dieser Stelle scheint aber
die Saat selbst noch keinen Hinweis zu geben, wie groß oder vielfältig die Frucht werden
wird. Das zeigt das Gleichnis vom Senfkorn. Wie das kleinste Saatkorn eine große Pflanze
hervorbringen kann, so kann auch eine vermeintlich kleine Tat, ein vermeintlich kleiner
Beitrag zu etwas Großem heranwachsen – einen großen Beitrag zum Himmelreich bewirken,
und sei es noch so alltäglich oder banal.

So ist unser heutiges Evangelium eine doppelte Ermutigung, am Reich Gottes mitzuwirken:

  1. Nur Mut und bringe dich ein – auch wenn dir dein Beitrag noch so klein und
    unbedeutend erscheinen mag.
  2. Sei gelassen und voller Hoffnung: Gott wird dafür sorgen, dass deine Saat wachsen
    und Früchte bringen wird.

Johannes Geis

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